Philipp Theobald (1614 – 1685)

Der Schulmeister

(Die zweite Generation i.d.L. – elf Generationen zurück)

Obertor und Wehrturm Mittelbuchen 2011.

Der Sohn des vorhergehenden Johannes Theobald (vor 1600 – nach 1632) und seiner ersten Frau Agnes. Geschwister, auch aus zweiter Ehe, sind bisher nicht nachgewiesen.

Philipp Theobald (1614 – 1685), geboren in Hanau, war der Sohn des vorhergehenden Johannes Theobald (vor 1600 – nach 1632) und seiner ersten Frau Agnes. Geschwister, auch aus zweiter Ehe, sind bisher nicht nachgewiesen. Er lernte wie sein Vater das Schreinerhandwerk. 1642 heiratete er Catharina Frey (1618 – 1695), eine Tochter des Hanau-Neustädter Bürgers Johann Georg Frey. 1657 wurde er als Deutscher Schulmeister nach Mittelbuchen berufen [Sauer 1979, S. 93], damals ein Dorf mit knapp 300 Einwohnern, etwa 5-6 Kilometer nördlich von Hanau. Heute ist es dessen kleinster Stadtteil. Die Schreinerei in Hanau betrieb er wohl nebenberuflich weiter.

Kurfürstentum Hessen: Hanau und Umgebung um 1840.

Mittelbuchen wurde im 30-jährigen Krieg niedergebrannt, seine Einwohnerschaft ist durch Kriegshandlungen und Pestepidemien schwer dezimiert worden. Auch lange nach dem Westfälischen Frieden zogen noch marodierende Truppen durch die Gegend und verbreiteten Angst und Schrecken.

Alte Schule Mittelbuchen 2019.

Alte Schule Mittelbuchen 2019.

Die Alte Schule, gebaut im 16. Jahrhundert in der Obertorstraße (heute Nr. 15) gegenüber dem Kirchhof, hat alle Kriegshandlungen und Feuersbrünste überstanden. Das erste zweistöckige Haus in Mittelbuchen war für damalige Verhältnisse großzügig bemessen und diente auch als Wohnhaus für die Familie des Schulmeisters. Sein Einkommen wurde

„aus vielen Einzelposten zusammengestellt: Der Schulmeister soll ein Handwerker sein und die Hälfte seiner Zeit diesem Handwerk widmen. Durch Bereitstellung von Äckern, Gärten und Weinbergen soll er die Möglichkeit haben, auch landwirtschaftlich seinen Lebensunterhalt zu bestreietn. Die Eltern aller Schulkinder zahlten ihm Schulgeld, und die Wohnung war frei.“ [Sauer 1979, S. 88.]

Als 1696 ein neuer Pächter für den Kirchenboden gesucht wurde – der Dachboden der Kirche wurde seit 1666 verpachtet, um dort Tabakblätter zu trocknen – schlossen der Schulmeister Theobald und der Wirt und Bierbrauer Johann Hörtig einen zehnjährigen Pachtvertrag ab. Bei der Größe des Kirchenbodens wird es sich dabei nicht um einige wenige Tabaksblätter zum Eigenverbrauch gehandelt haben, sondern um einen Gutteil des landwirtschaftlichen Ertrags der beiden Pächter, denn Hanau und das Kinzigtal war damals eines der Hauptanbaugebiete für Tabak in Deutschland. Die niederländischen und wallonischen Flüchtlinge hatten die Pflanze Anfang des 17. Jahrhunderts mitgebracht und damit begonnen, sie in Tabaksplantagen anzubauen. Die Verarbeitung der Blätter erfolgte in der Neustadt Hanau, und in kurzer Zeit gelang es den Hanauern, eine „führende Stellung in der Tabakswirtschaft einzunehmen“, was allgemein „auf die besondere Qualität des Hanauer Tabaks zurüchgeführt“ wurde. [Blauer Dunst 2009, S. 30.]

Der beste deutsche Tabak wächst in Hessen, Hanau und in der Pfalz, in Brandenburg und im Braunschweigischen.“ [Kolbeck 1822, S. 6.]

Zur Schreinerei, dem Schuldienst und der Landwirtschaft kamen auch die Pflichten gegenüber der Kirche: als Vorsänger, als Leiter des Kinderchors, als Glöckner und Küster, und er hatte die Uhr zu stellen, die es schon seit dem 16. Jahrhundert gab. Als dann – lange nach seiner Amtszeit – um 1750 die Kirche neu errichtet wurde und bald auch eine Orgel erhielt, gehörte auch der Organistendienst zu den Aufgaben des Schulmeisters. Daher wurde er

„schon damals nicht nur von den Gemeindevätern eingestellt, sondern er wurde von Konsistorium in Hanau berufen und dann in einem öffentlichen Gottesdienst in sein Amt eingeführt.“ [Sauer 1979, S. 88.]

Freilich waren die Dorfschulmeister damals keine Lehrer im heutigen Sinne; sie lehrten das, was sie selber konnten und wußten: Lesen und Schreiben, die Grundlagen des Rechnens, Singen und den Katechismus. Auf zahlreichen Genrebildern sind die Zustände in den Dorfschulen dargestellt; ganz unterschiedliche Lehrertypen, die mit mehr oder weniger pädagogischem Geschick und oft auch mit dem Rohrstock die Dorfjugend unterrichtete. Und so ist es nicht verwunderlich, daß die Stelle immer wieder auch mit Schulmeistern besetzt wurde, die sich als ungeeignet für ihre Aufgaben erwiesen.

Als Philipp Theobald 1657 zum Schulmeister berufen wurde, hatten seine Amtsvorgänger in immer kürzeren Abständen die Stelle gewechselt. Vor allem mit den beiden unmittelbaren Vorgängern waren die Differenzen so groß, daß diese schon nach einem bzw. zwei Jahren wieder gehen mußten [Sauer 1979, S. 89, 93].

Insofern scheint Philipp Theobald kein schlechter Schulmeister gewesen zu sein. Er hatte die Stelle bis zu seinem Tode inne, länger als jeder seiner uns bekannten Vorgänger.

Am 15. Januar 1685 wurde er, der achtundzwanzig Jahre hier Schulmeister gewesen war, zu Grabe getragen. Den Leichenpredigttext hatte er sich selbst ausgewählt. Psalm 39, 6-8.“ [Sauer 1979, S. 149.]

Sein Sohn, Nikolaus Philipp Theobald (1652 – 1726) übernahm die Stelle drei Jahre nach dem Tod seines Vaters.

Quellen

Literatur

Blauer Dunst und flinke Finger. Der Tabak und die Zigarrenmenscher an Main und Kinzig. Hanau (CoCon) o.J. [2009].

Kolbeck, Johann Paul: Gründliche und umfassende Abhandlung über Tabak, Anbau und Behandlung desselben. Ingolstadt (Attenkover) o.J. [1822].
Digitalisat: <https://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10296521.html> [16.01.2019].

Sauer, Eugen Heinz: Zwölfhundert Jahre Mittelbuchen. Eine Chronik von Mittelbuchen von den frühesten Anfängen bis zu seiner Eingemeindung in die Stadt Hanau. Hanau (Kulturamt) o.J. [1979].

Internet

DenXweb: Kulturdenkmäler in Hessen. Gesamtanlage Historischer Ortskern Mittelbuchen.
URL: <http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/107078/> [05.01.2018].

Gimplinger, [Ernst]: Mittelbuchen Bonifatiuskirche. Aus: Evangeliche Kirchengemende Buchen.
URL: <http://www.buchen-kirche.eu/mittelbuchen-bonifatiuskirche.php> [19.01.2019].

Mittelbuchener Heimat- und Geschichtsverein e.V.
URL: <http://www.mittelbuchen-geschichtsverein.de/03-chronik-1699.html> [05.01.2018].

Abbildungen

Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 107, Hanau. Aus: LAGIS, Historische Kartenwerke.
URL: <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/hkw/id/181> [05.01.2019].

Obertor und Wehrturm Mittelbuchen 2011. WMC, File:Mittelbuchen Obertor Heimatmuseum.jpg.
URL: <https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mittelbuchen_Obertor_Heimatmuseum.jpg> [16.01.2019].

Ostade, Adriaen van: Der Schulmeister (17. Jhd.). WMC, File:Adriaen van Ostade 007.jpg.
URL: <https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Adriaen_van_Ostade_007.jpg> [12.01.2019].

Schröder, Carl: Der Dorfschulmeister seine Gebühren einsammelnd (1854). WMC, File:Carl Schröder Der Dorfschulmeister seine Gebühren einsammelnd 1854.jpg.
URL: <https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Carl_Schr%C3%B6der_Der_Dorfschulmeister_seine_Geb%C3%BChren_einsammelnd_1854.jpg> [12.01.2019].

Theobald, Ludwig: Alte Schule Mittelbuchen. Photographie 2019.